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Kastration: Pro und Kontra

von mascha | 14. März 2011

Eine pauschale Antwort auf die Frage „Kastration ja oder nein?“ kann es nicht geben.
In jedem Einzelfall sollte man sich vor einer Entscheidung gut informieren, weshalb ich Ihnen hier aufzeigen möchte, was Wissenschaftler über Chancen und Risiken der Kastration wissen.

Ganz unten finden Sie auch noch den Link zu einem Interview mit Prof. Dr. Axel Wehrend zum Thema Pro und Contra Kastration als Krebsprophylaxe bei Hündinnen.

Frühkastration:

Viele Tierärzte und Hundetrainer raten heute zur Frühkastration vor dem Höhepunkt der Pubertät, damit geschlechtsspezifische Verhaltensweisen erst gar nicht erlernt werden.
Der Slogan „Sexualhormone weg, Pubertät weg, Probleme weg“ ist zu einfach, um wahr sein zu können. Eine ordentliche Beziehung zwischen Hund und Halter entsteht durch viele gemeinsame Erfahrungen, eine Kastration steht dieser eher störend entgegen.

Dr. Udo Gansloßer, Privatdozent für Zoologie an der Universität Greifswald, hält nichts davon, Hunde vor dem Höhepunkt der Pubertät kastrieren zu lassen: „In dieser Zeit eine ganz wichtige Komponente des Hormonhaushalts aus dem Hund herauszunehmen, kann in der Regel nur zu Chaos führen. Die Erfahrungen der Hundehalter und Hundetrainer zeigen, dass wir dabei überwiegend Kindsköpfe bekommen, Hunde, die keinen Ernst des Lebens und damit auch keine sinnvolle weitere planbare Ausbildungs- und Erziehungsmöglichkeit mehr haben.“

Aussagekräftige Studien zu den Auswirkungen der Frühkastration auf das Verhalten gibt es jedoch leider nicht.

Körperliche Nebenwirkungen der Frühkastration können sein:

Kastration als Prophylaxe

Häufig wird geraten, Hündinnen vor der ersten Läufigkeit kastrieren zu lassen, um Gesäugetumoren vorzubeugen.
Unterschiedlichen Studien zufolge erkranken – je nach Alter und Rasse – zwischen 2 von 1.000 und 2 von 100 Hündinnen an solchen Mammatumoren. Etwa die Hälfte der Tumore sind bösartig, 75 Prozent der Hündinnen überleben nach einer Operation.
Je früher ein Mammatumor erkannt wird, desto besser. Deshalb sollte das Gesäuge wöchentlich auf Knoten untersucht werden, auch bei kastrierten Hündinnen.

Wird vor der ersten Läufigkeit kastriert, sinkt das eh schon geringe Erkrankungsrisiko verschiedenen Studien zufolge gegen Null. Ist dies ein Argument für die Kastration? Dr. Axel Wehrend von der veterinärmedizinischen Universität Gießen gibt zu bedenken: „Im Gegensatz zur präpubertären Kastration ist der Ansatz, über die Ernährung eine Prävention zu betreiben, weder in der veterinärmedizinischen noch in der von Hundehaltern geführten Diskussion zu diesem Thema zu hören. Dies erstaunt, da im Gegensatz zur Kastration keine unerwünschten Effekte wie Harninkontinenz und Unterentwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale zu erwarten sind.“

Wehrend und anderen Autoren zufolge haben eine Reihe von Studien nachgewiesen, dass eine fett- und eiweißreiche Ernährung beziehungsweise Übergewicht im ersten Lebensjahr zur Bildung von Mammatumoren führen.

Werden einer Hündin bei der Kastration nicht nur Eierstöcke, sondern auch die Gebärmutter entfernt, kann sich die Gebärmutter nicht mehr entzünden.
Unterschiedlichen Studien zufolge erkrankt jede fünfte bis zehnte Hündin im Laufe ihres Lebens an einer Gebärmutterentzündung, wie viele daran sterben, ist unbekannt.
Bei unkastrierten Hündinnen ist es wichtig, auf frühe Alarmzeichen zu achten. Wenn die Hündin dauernd Durst hat, oder sie sich öfter leckt, sollte ein Tierarzt aufgesucht werden. Ein spätes Alarmzeichen ist ein dicker werdender Bauch bei geringer Nahrungsaufnahme.

Über hormonell beeinflusste Erkrankungen beim Rüden redet kaum jemand, obwohl es solche durchaus gibt. Wenn Rüden aufgrund einer medizinischen Indikation kastriert werden, dann meist wegen chronischer Vorhautentzündung. Sie verschwindet nach einer Kastration. Dabei ist vorher zu bedenken, wie stark die Beschwerden sind und mit welchen Nebenwirkungen nach einer Kastration zu rechnen ist.

Alternativen zur Kastration beim Rüden

Sterilisation

Wenn es nur um Verhütung geht, kann auch eine Sterilisation helfen. Bei dieser Methode werden die Keimdrüsen – beim Rüden die Hoden – nicht entfernt, sondern es werden nur die Leiter durchtrennt oder abgebunden, womit die Fortpflanzungsfähigkeit der Tiere dauerhaft und verlässlich unterdrückt wird.
Der Hormonhaushalt und die damit verbundenen Körperfunktionen und Verhaltensweisen werden kaum beeinträchtigt. Solange es nur um die Verhütung geht, und nichts sonst für eine Kastration spricht, ist eine Sterilisation sinnvoller, denn sie hat keine Nebenwirkungen, und das Operationsrisiko ist auch nicht höher als bei der Kastration.

Chemische Kastration

Seit einiger Zeit ist für Rüden ein Medikament zugelassen, das wie ein Kennzeichnungs-Transponder unter die Haut gespritzt wird. Der Verhütungschip enthält einen synthetisierten, mit einem körpereigenen identischen Stoff, der die Bildung von Testosteron und damit die Bildung von Samenzellen schrittweise reduziert, bis der Rüde nach circa sechs Wochen fortpflanzungsunfähig ist. Der Hersteller garantiert, dass die sterilisierende Wirkung mindestens sechs Monate lang anhält.
Die chemische Kastration ist ein gutes Mittel, um herauszufinden, ob unerwünschte Verhaltensweisen mit dem Testosteronspiegel des Tieres zusammenhängen, also verschwänden, wenn der Rüde kastriert würde.
„Wir kennen dieses Verfahren schon seit etlichen Jahren aus der Wildtiermedizin“, sagt Dr. Udo Gansloßer. „Dort wurde es auch längere Zeit angewendet, ohne dass Langzeitnebenwirkungen auftreten.“

Alternativen zur Kastration bei der Hündin

Sterilisation

Anders als beim Rüden ist sie eine weniger gute Alternative zur Kastration, da bei weiblichen Tieren die Operation (Durchtrennen der Eileiter) aufwendiger und mit größeren Risiken verbunden ist. Zudem kann hormonell beeinflussten Erkrankungen wie Gesäugetumoren mittels Sterilisation nicht vorbeugt werden. Deshalb plädieren viele Tierärzte für Kastration statt Sterilisation.
Andere geben zu bedenken, dass es nicht die Aufgabe eines Mediziners sein kann, gesunde Organe zu entfernen, um Krankheiten vorzubeugen. Das Tierschutzgesetz verbietet die Amputation gesunder Organe zur Prophylaxe, außerdem gibt es schonendere Möglichkeiten, der Tumorbildung vorzubeugen.

Hormonspritze

Das gezielte Unterdrücken der Läufigkeit durch eine Hormonspritze ist keine Alternative zu Sterilisation oder Kastration. Neuere statistische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Hormonspritze der größte Risikofaktor für die Bildung von Mammatumoren ist.

Natürliche Verhütung

Im Gegensatz zu Rüden sind Hündinnen nur maximal zwei Mal im Jahr für wenige Tage fruchtbar, nämlich dann, wenn der Eisprung stattfindet. An diesen kritischen Tagen müssen sie von Rüden ferngehalten werden.
Wer seine Hündin gut beobachtet, kann die kritischen Tage erkennen. Zum Eisprung hin nimmt die Blutung ab, das Blut wird heller, außerdem schwillt die Scheide ab. Je näher der Eisprung ist, desto schneller klappt die Hündin die Rute zur Seite, wenn sie am Rutenansatz gekrault wurde, wobei nicht jede Hündin so reagieren muss.

Zusammenfassung Pro und Kontra

Pro

Neben medizinischen Indikationen – unter anderem Mammatumore oder schwere chronische Vorhautentzündungen – gibt es auch Verhaltensauffälligkeiten, bei denen eine Kastration Abhilfe schafft.
Zum Beispiel bei Hündinnen, die ausschließlich während der Scheinschwangerschaft extrem aggressiv sind, und bei aggressiven Rüden, wenn sich die Aggressionen ausschließlich gegen sexuelle Konkurrenten richten.
Schließlich gibt es auch hypersexualisierte Tiere, die nach einer Kastration ein stressfreieres Leben führen können.
Wer Hunde verschiedenen Geschlechts zusammen hält, kann statt einer Kastration auch die Sterilisation (des Rüden) wählen.

Kontra

Bestimmte Erkrankungsrisiken lassen sich durch Kastration verringern, doch dafür sind Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, wie etwa vermehrter Hunger nach der Kastration, Skeletterkrankungen bei früh kastrierten Hunden oder Harninkontinenz, vor allem bei Hündinnen. Verschiedenen Studien zufolge tröpfeln zwischen 10 und 25 Prozent der kastrierten Hündinnen; einige große Rassen, wie beispielsweise Boxer sind besonders stark betroffen.

Wie eine Kastration das Verhalten beeinflusst, ist hingegen schwer vorhersehbar. Es ist wichtig, vorher zu klären, ob unerwünschtes Verhalten hormonell beeinflusst auftritt oder andere Ursachen hat.
Bei einer Angstaggression zum Beispiel ist eine Kastration kontraproduktiv, weil sich die Aggressionen noch verstärken können. Als Ursache wird vermutet, dass kastrierte Hunde nicht mehr nach erwachsenem Hund riechen, von Artgenossen nicht mehr ernst genommen werden und deshalb mit angstbedingten Aggressionen reagieren.

Jagdverhalten, allgemeine Unruhe, Territorialaggressionen und Störungen in der Beziehung zwischen Hund und Halter unterliegen nicht dem Einfluss der Sexualhormone.

Selbst scheinbar eindeutig sexuell motivierte Verhaltensweisen müssen bei Rüden nach einer Kastration nicht verschwinden. Wenn sie aus Langeweile streunen oder gelernt haben, durch Rammeln Spannungen abzubauen oder Lust zu empfinden, hören sie damit nach einer Kastration nicht auf.

Quelle: WDR Servicezeit Tiere, Sendung Tiere suchen ein Zuhause vom 13.12.2009.

Hier finden Sie noch ein interessantes Interview mit Prof. Dr. Axel Wehrend von der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie Justus-Liebig-Universität Gießen zum Thema Pro und Contra Kastration als Krebsprophylaxe bei Hündinnen:

http://www.tiergesundheit-aktuell.de/videos/kleintiervideo-9.php

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